Kaffeekrise

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Nachdem die DDR 1972-1975 jährlich im Schnitt 150 Millionen Valutamark für die Kaffeeversorgung der Bevölkerung aufgebracht hatte, kam es 1976/77 zu einer Preisexplosion auf dem Weltmarkt, einem Devisenbedarf von fast 670 Millionen VM, und in der Folge zur "Kaffeekrise" (kein offizieller Begriff).

Das Politbüro entschied am 28. Juni 1977 über die erste Vorlage "zur Produktion und der Versorgung mit Kaffee- und Kakaoerzeugnissen" zwecks Verringerung des Devisenverbrauchs für den Import. Alexander Schalck-Golodkowski hatte Günter Mittag vorgeschlagen:

  • "Alle bisher in der DDR produzierten und angebotenen Sorten Röstkaffee werden ab 1.7. 1977 nicht mehr produziert."
  • Das gesamte Kaffeeangebot im Einzelhandel sollte reduziert werden auf
    • eine Sorte "auf dem Niveau von Rondo ?" zu 120 Mark/kg (!) sowie
    • einen Mischkaffee "aus 50% Röstkaffee und 50% Surrogaten".
  • "Auf eine Kontingentierung beim Verkauf ... ist zu verzichten, da ... durch die Erhöhung des Kaffeepreises um ca. 100% ein Rückgang des Kaffeeverbrauches um ca. 25-30% zu erwarten ist."
  • "Weiterhin ist damit zu rechnen, daß ... eine Zunahme der Versorgung ... durch andere Quellen, wie z.B. durch grenzüberschreitenden Päckchen- und Paketverkehr und beim Abkauf im Intershop ... erfolgen wird."
  • "In Betrieben, Verwaltungen, Institutionen usw. sowie für Repräsentationszwecke ist der Verbrauch von Kaffee generell zu untersagen."

Laut eines Schreibens von Albert Norden an Honecker, in dem er den Generalsekretär vor den Folgen warnte, sollte darüber hinaus der "Ausschank von Bohnenkaffee in den Gaststätten völlig (eingestellt)", und "zukünftig nur noch etwa 20 Prozent der jetzigen Menge an Bohnenkaffee angeboten werden". Norden prognostizierte: Die "Maßnahme wird auf kein Verständnis stoßen, große Unzufriedenheit auslösen".

Das Politbüro beschloss am 26. Juli trotzdem:

  • Ab 1. August sollten alle staatlichen Einrichtungen, die NVA, die Kantinen der Betriebe und die Gaststätten der Preisstufen III und II nur noch den neuen Mischkaffee anbieten.
  • Dieser bestand aus
    • 51% Röstkaffee
    • 5% Zichorie
    • 5% getrockneten Zuckerrübenschnitzeln
    • 5% Spelzanteilen
    • 34% Roggen-Gersten-Gemisch.
  • Alle Kaffeesorten sollten aus dem Handel gezogen werden, bis auf die teureren Mona ?, Rondo ? und Mokka-Fix Gold ?.

Der Volksmund titulierte den neuen Mischkaffee als "Erichs Krönung". Die Bevölkerung war über die Maßnahmen empört, denn der "Kaffee" war ungenießbar und "ruinierte vor allem die Kaffeemaschinen in Großküchen und Gaststätten" (Quelle s.u.). Es kam zu einer nie dagewesenen Welle von Eingaben ?.

Die SED-Führung versuchte gegenzusteuern, indem die Mischung geändert wurde - ohne Erfolg. Schließlich musste sie im Tausch gegen Fertigerzeugnisse Rohkaffee aus diversen Erzeugerländern eilig "organisieren". In der Folge wurde u.a. ein Abkommen mit Vietnam geschlossen, das dort zum verstärkten Anbau von Kaffee für die DDR führte (zuvor hatte der Kaffeeanbau dort kaum eine Rolle gespielt).

Die "Kaffeekrise" entschärfte sich ab 1978 wieder, da die Weltmarktpreise für Rohkaffee sanken. In diesem Jahr importierte die DDR rund 500.000 Tonnen Kaffee für 470 Millionen VM. Der Erlös im Einzelhandel betrug 3,3 Milliarden Mark (zum Vergleich: Umsatz bei Möbeln 3,7 Mrd.; bei Schuhen 1,8 Mrd.).


Quelle für diese Darstellung: Stefan Wolle: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971-1989; Econ&List, München 1999, S. 328ff.





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