Weltanschauung

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Unter Weltanschauung verstand die marxistisch-leninistische Ideologie, also die politische Ideologie der SED, "die in ein System gebrachte Gesamtauffassung von Natur und Gesellschaft, einschließlich der Formulierung von Regeln für das Verhalten des Menschen in der gesellschaftlichen Praxis" (zitiert nach: Kleines Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie, Dietz Verlag, Berlin 1974).

Diese Definition war in mehrerer Hinsicht eine Tautologie, selbst innerhalb der gesamten Lehre des Marxismus-Leninismus, und konnte nur in dessen Kontext wirken.

Wichtige Kritikpunkte:

  • Die marxistisch-leninistische Weltanschauung stellte sich über alle anderen Konzepte vom Aufbau der Welt und der Gesellschaft und begründete dies aus sich selbst heraus. Denn nur wenn Marx' Lehre zuträfe, nach der sich die Gesellschaft wie auch die Natur gesetzmäßig entwickelte, wäre die wissenschaftliche Weltanschauung mit ihrer Annahme z.B. des Entwicklungsziels Kommunismus tatsächlich "objektiv" korrekt gewesen.

    • Die Bestätigung fehlt aber bzw. rückte mit dem Ende des sozialistischen Weltsystems in unbestimmbare Ferne.

  • Abweichungen von diesem Konzept der Weltanschauung wurden nicht akzeptiert bzw. als "unwissenschaftlich" gebrandmarkt. Danach gab es keine "halben Sachen", d.h. in der Sprache der Partei-Losungen sinngemäß "wer nicht für uns ist, ist gegen uns". Differenzierungen, etwa im Sinne einer Bejahung der Naturgesetze, aber Infragestellung der gesellschaftlichen Gesetze, waren unzulässig. Abweichungen waren unerlaubt, Andeutungen verdächtig.

    • Es durfte aus diesem Grund z.B. auch keine "unpolitische Wissenschaft" geben. Demgemäß wurde der gesellschaftswissenschaftliche Unterricht von der Bildungspolitik nicht nur den anderen Fächern gleichgestellt, sondern noch bevorzugt.

  • Es wurde - wiederum politisch bedingt und somit tautologisch - die vom Marxismus-Leninismus selbst definierte "Hauptfrage der Philosophie" zum Kernpunkt der Weltanschauung erklärt. Dies war die Frage nach dem Verhältnis von Materie und Bewusstsein, deren Beantwortung den betreffenden Menschen oder eine Personengruppe schwarz-weiß-malerisch in die Kategorie "Materialist" oder "Idealist" einordnete.

    • Eine unzulässige Verkürzung, denn es gibt Varianten, die vom Marxismus-Leninismus mit seinem Bestreben nach "objektiver Wahrheit" einfach negiert wurden, wie etwa den erkenntnistheoretischen Realismus.

    • Lenins Materiedefinition war z.B. einer der Kernpunkte dieses Denkgebäudes, und genügte dabei nicht einmal einfachsten philosophischen Anforderungen (sie war ebenfalls eine Tautologie).


Die Weltanschauung war folglich ein wesentliches politisches Unterscheidungsmerkmal, das aufgrund der willkürlichen Definitionskriterien im Sinne des Marxismus-Leninismus als Möglichkeit zur Differenzierung zwischen - vereinfacht, aber zutreffend gesagt - Gut und Böse eingesetzt wurde. Wer der Definition der Weltanschauung nicht folgte oder gar ihre "Wissenschaftlichkeit" in Frage stellte, war ein politischer Gegner.

Von ausländischen (westlichen und oft "gegnerischen") Philosophen wurde dem Marxismus-Leninismus allerdings oft bescheinigt, dass gerade die offensichtliche Geschlossenheit und die Unangreifbarkeit der Ideologie, die allerdings maßgeblich durch Zirkelschlüsse erreicht wurde, ein für viele Menschen anziehendes Merkmal dieser Lehre war.

Weitere Folgerungen:

  • Hierin lag auch die Politisierung des Alltags in der DDR begründet. Da die allermeisten Äußerungen und Handlungen vermeintlich Rückschlüsse auf die Weltanschauung zuließen, waren umgekehrt alle Regungen des Menschen auch immer politisch zu verstehen. Aus diesem Grunde konnte man sich unter ungünstigen Umständen mit harmlosen Fragen verdächtig machen.

  • Mittels demonstrativer Bekenntnisse zur SED konnte langwieriges Auseinandersetzen mit den Tücken des Marxismus-Leninismus vermieden werden, demgemäß ließ sich ein "Wiedergeben mit eigenen Worten" von Parteitagsäußerungen u.ä. oft ersatzweise bzw. als Abkürzung der Philosophie einsetzen - denn der Beweis der "richtigen" Weltanschauung war ein Hinweis auf die verinnerlichte Theorie (auch wenn dem gar nicht so war).

Die Frage der Weltanschauung hatte noch ungezählte weitere Implikationen im Leben jedes DDR-Bürgers, die hier nicht aufgezählt werden können.

Anmerkung:
Tautologie ist die Definition eines Begriffs bzw. die Erklärung eines Sachverhalts aus sich selbst heraus.






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