Der nach Ansicht der marxistisch-leninistischen Ideologie der SED durch die "unversöhnlichen Gegensätze" zwischen den Klassen unvermeidbare Klassenkampf spielte im Vokabular der SED, in Parteitagsreden etc. und im gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht eine wichtige Rolle. Als Rechtfertigung z.B. für die Militarisierung der Gesellschaft und für Repressionsmaßnahmen beeinflusste der so genannte Klassenkampf in hohem Maße das Leben in der DDR.
Da nach offizieller Version die Gegensätze zwischen den Klassen innerhalb der DDR aufgehoben waren, wurde der Klassenkampf gewissermaßen externalisiert.
Der Alltag in der DDR bot nicht viele Berührungspunkte mit dem Klassenkampf zwischen Ausgebeuteten (dem Proletariat) und Ausbeutern (der Bourgeoisie), der von der SED-Lehre in den "noch" kapitalistischen oder imperialistischen Ländern verortet wurde.
Im Verständnis der SED-Ideologie hatte sich der Klassenkampf vielmehr "globalisiert" - an die Seite der revolutionären Bewegungen sei das sozialistische Weltsystem getreten. Die Ost-West-Konfrontation wäre folglich die globale und ultimative Form des Klassenkampfes gewesen. Aus dieser Konfrontation hätte - gemäß der "wissenschaftlichen" Lehren von Marx und Lenin - gesetzmäßig der Sozialismus (als Vorstufe des Kommunismus) als Sieger hervorgehen müssen.
Mit dieser Argumentationskette wurde die Konfrontation mit dem Kapitalismus/Imperialismus auf eine völlig neue Stufe gehoben und war mit Thesen des "gesunden Menschenverstandes" kaum angreifbar. Gemäß der marxistisch-leninistischen Weltanschauung gab es nur eine Möglichkeit: Die Auseinandersetzung mit dem kapitalistischen System, den Klassenkampf.
Wegen seiner grundlegenden Bedeutung und des scheinbar stabilen theoretischen Fundaments des Klassenkampfes im Marxismus-Leninismus war notfalls auch die Unterordnung alles zivilen Lebens unter die "Notwendigkeiten" der Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus/Imperialismus möglich.
Dieser Klassenkampf wurde demnach geführt auf
- politischem
- ökonomischem und
- militärischem Gebiet.
Wegen der postulierten Ausweglosigkeit und Unvermeidbarkeit (d.h. es gab nur "Sieg oder Untergang") kam es zu vielen überzogenen Polarisierungen. Dazu könnte man z.B. das Wirken großer Teile des MfS zählen, welches im Laufe der Jahre Zehn- oder Hunderttausende DDR-Bürger zu "Feinden" erklärte und entsprechend rigoros und erbarmungslos "behandelte".
Im Zusammenhang mit dem Klassenkampf zwischen Sozialismus und Kapitalismus/Imperialismus ist auch die Politisierung des Alltags ? zu sehen, wodurch es z.B. in der Schule oder im Beruf recht häufig zu Situationen kam, in denen der Betroffene "Farbe bekennen" musste.
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